Sachlich und informativ ging es am Dienstag im Gemeinderat zu, das war ja zuletzt gar nicht mehr selbstverständlich. Einziger Tagesordnungspunkt war die geplante Bebauung des AOA-Areals. Bekanntlich ist in einem mehrjährigen Prozess hier ein umsetzungsreifes Konzept entstanden für ein Ortsquartier im Westen Gauting mit einem hohen Anteil bezahlbarer Wohnungen, der zugehörigen Infrastruktur wie Einkaufsmöglichkeiten, Kindergarten, Café und einem großen öffentlichen Grünflächenanteil. Ein „Mehrparteienbündnis (MPB)“ aus Grünen, SPD, Piraten, FDP und MiFü, das im neugewählten Gemeinderat über eine Mehrheit verfügt, möchte diese Planung grundlegend verändern. 90 Minuten trugen die beteiligten Fachplaner und die Eigentümer und Bauherren vom Verband Wohnen, dem Katholischen Siedlungswerk und der Familie Diehl ihre Überlegungen vor und setzten sich mit den Änderungsvorschlägen des MPB auseinander. Vor gefüllten Zuhörerrängen interessierter Bürger waren diese Vorträge wie die anschließenden Rückfragen und Erläuterungen aus dem Gemeinderat sachlich und informativ, man hörte sich wechselseitig zu!
Ausgangslage: Was gilt eigentlich aktuell?
Es gibt einen aktuellen, rechtskräftigen Bebauungsplan aus 2002, der den Eigentümern Baurecht gibt. Auf dem AOA-Gelände könnte ein sehr großer Baukörper mit über 17.000 qm Geschossfläche entstehen für gewerbliche Nutzung mit etwa 450 Mitarbeitern. Zum südlichen Areal ist zur Abgrenzung mit der Wohnbebauung eine doppelstöckige Abriegelung mit einer oberirdischen Hochgarage vorgesehen. Auf den Grundstücken könnte Wohnbebauung mit 10.400 qm Wohnfläche entstehen. Öffentlich zugängliche Grünflächen sind nicht möglich. Die verkehrlichen Auswirkungen wären gravierend.
Dieses Konzept gilt als städtebaulich verunglückt, niemand war damit glücklich und deshalb haben sich die drei Grundstückseigentümer und die Gemeinde Gauting vor vier Jahren auf den Weg gemacht, ein besseres Konzept zu verwirklichen.
Kritikpunkt 1: kein Supermarkt an der Ammerseestraße, dafür kleine Läden und „stilles Gewerbe“
Das MPB möchte dort gerne kleinteilige Einzelhandelsflächen realisieren und nicht störendes Gewerbe realisieren. Die Wohnnutzung soll auf maximal 30 % der Geschoßfläche begrenzt werden. Zu diesen Überlegungen gab es starke Einwände der Fachleute. Die Einzelhandelsexperten von Popien+Partner, www.popien-partner.de, machten unmissverständlich klar, dass isolierter kleinteiliger Einzelhandel wirtschaftlich keine Perspektive hat und sich hier nicht realisieren lässt. Ein integrierter Vollsortimenter in Gauting-West mache von der Versorgungsstruktur her Sinn und würde zudem den Verkehrsdruck in Richtung Bahnhofstrasse abmildern. Natürlich wäre ein Vollsortimenter in der Tallage oder auf dem Buchendorfer Berg auch sehr gut, dafür gebe es aber in Gauting keine realistische Standortmöglichkeit. Die Zukunft des Edeka-Express am Hauptplatz sei– völlig unabhängig von der Entscheidung zum AOA – mittelfristig unsicher und für die Entscheidung hier eigentlich nicht relevant. Zwischenfazit: die Ablehnung eines Vollsortimenters am AOA wäre eine gravierende kommunalpolitische Fehlentscheidung. Popien und Partner führen aktuell ergänzend eine Erhebung zum Einkaufsverhalten der Gautinger durch. Klare Empfehlung, keine unwiderrufliche Entscheidung zu treffen, bevor diese Ergebnisse nicht vorliegen.
Und wie schaut es mit stillem Gewerbe für Büros aus? Auch hier waren die anwesenden Wirtschaftsförderer, die Herren Kühnel-Widmann (Gauting) und Winkelkötter (gwt, Landkreis Starnberg) sehr zurückhaltend. Es gäbe vereinzelt Bedarf für solche Flächen, vor allem von Münchner Firmen, die eine Verlagerung ins Umland wollen. In der Regel sei das aber immer in Verbindung mit Produktions-und Logistikflächen zu sehen und nicht als Mietobjekte. In keinem Falle bestehe ein Bedarf in der jetzt vom MPB gewünschten Größenordnung. Die Verkehrsplanerin Frau Picha-Rank vom Büro Obermeyer machte deutlich, dass bei einem solchen Konzept – sofern die Flächen nicht wegen mangelnder Vermietbarkeit leer stehen würden – die verkehrlichen Auswirkungen sehr viel gravierender seien als bei der aktuellen Planung.
Kritikpunkt 2: weniger bezahlbare Wohnungen auf dem südlichen Teil des Areals
Die aktuell geplante Geschoßfläche auf den Flächen für Verband Wohnen und Katholisches Siedlungswerk soll um 25 % von 15.234 auf 11.600 qm reduziert werden. Michael Vossen (Verband Wohnen) und Steffan Geissler (Kath. Siedlungswerk) machten zunächst deutlich, dass sie seit vielen Jahren gute Partner der Gemeinde Gauting sind und als gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen die Gewähr dafür bieten, langfristig günstige Mieten für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen anzubieten. Die Wohnungen werden bevorzugt an Gautinger vermietet, beim Verband Wohnen hat die Gemeinde sogar für 80 % und bei Nachvermietung sogar für alle Wohnungen das Belegungsrecht. So betrage die Durchschnittsmiete für die Wohnungen an der Danziger Straße 6,19 €, obwohl diese bereits seit 2013 aus der Förderung herausgefallen ist und deutlich höhere Mieten damit möglich wären. Auf die Frage aus dem Gemeinderat, ob sie denn auch bauen würden auf Basis des alten Bebauungsplans, machten beide klar, dass sie dies für Gauting für einen enormen Rückschritt halten würden. Der alte Bebauungsplan sei städtebaulich das deutlich schlechtere Konzept und nicht mehr zeitgemäß. Aufgrund der schlechteren Wirtschaftlichkeit müssten die Mieten dann auch um ca. 0,5 – 1 € höher ausfallen.
Kritikpunkt 3: die Wohnungen auf dem Grundstück der Gemeinde Gauting
Hier wünscht das MPB ein völlig anderes Konzept. Das Thema konnte aus Zeitgründen am 6.10. nicht mehr diskutiert werden.
Wie geht es nun weiter?
Herr Blauhöfer als Vertreter der Familie Müller (AOA – Diehl) machte klar, dass die Familie natürlich bereit sei, über weitere Details im Konzept zu sprechen, reagierte z.B. offen auf die Anregung zur Einrichtung von Co-Workings-Spaces oder die Einrichtung von Flächen für moderne Mobilitätslösungen, d.h. Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge und Stellplätze für Lastenfahrräder. Zugleich aber die Aussage, dass man nicht bereit sei eine völlig grundlegende Änderung des Konzeptes mitzugehen, insbesondere wenn dieses am Bedarf vorbei gehe und Leerstand auch nach einer Neubebauung drohe. Sollte der Gemeinderat das Projekt stoppen, werde man in Ruhe prüfen, welche Folgerungen sich daraus ergeben. Es sei auch denkbar, in den nächsten Jahren das bestehende Gebäude in Abschnitten zu vermieten für gewerbliche Nutzungen, die dort als Zwischenlösung hineinpassen.
Der Gemeinderat wird die Diskussion in seiner Sitzung am 20.10. fortsetzen. Vielleicht eine sinnvolle Pause, damit alle die Argumente und Informationen sacken lassen können. Bitter wäre es, wenn – wie so oft in der Gautinger Vergangenheit – am Ende wieder alles auf die lange Bank geschoben wird. Aber vielleicht finden die Gruppierungen im Gemeinderat die Kraft eine gemeinsame Lösung zu finden, die nicht so offensichtlich in eine Sackgasse führen?