Seit der Gemeinderatswahl im März ruhen die Planungen für bezahlbaren Wohnraum am AOA-Gelände, wird das Planungsmoratorium jetzt aufgehoben? Aufgrund der Anhörung der Planer, Sachverständigen und der Eigentümer am 6.Oktober 2020 im Gemeinderat haben sich auch die Gautinger Grünen dafür ausgesprochen, die bereits weit fortgeschrittene Planung auf Basis des Siegerentwurfes des Münchner Architekturbüros H2R (städtebaulicher Realisierungswettbewerb) fortzusetzen. Dies führte zunächst bei einigen Gruppen zu einem Sturm der Entrüstung, den Grünen wurde vorgeworfen, sich mit CSU und UBG verbündet zu haben. Seitdem ist es ruhig geworden, wie ist der Stand des Projektes?
Der Bauausschuss hat im Rahmen einer nicht-öffentlichen Klausurtagung gemeinsam mit Planern und Eigentümern vor einigen Tagen weitere Detailfragen diskutiert. Kernanliegen der Grünen ist es, die Anzahl der zu bauenden Parkplätze in der Tiefgarage deutlich zu reduzieren. Dadurch entstehende Einsparungen aber zu nutzen, um ein Mobilitätskonzept mit attraktiven Möglichkeiten für Car-/Bikesharing, wohnortnahe Versorgung nicht nur mit Supermarkt sondern auch mit Gemeinschaftsflächen für soziale Angebote, eine weiter verbesserte Kinderbetreuung direkt im Wohngebiet, hohe Aufenthaltsqualität mit begrünten Flächen und klimaschonender Energieversorgung (Fernwärme aus Geothermie) zu realisieren.
Parallel dazu haben mehrere Gemeinderäte der Grünen in zwei Zoom-Konferenzen den Dialog mit den Anwohnern gesucht, um hier Besorgnisse und Anregungen kennenzulernen und aufnehmen zu können für die Detailberatung der Planung. Um es kurz zu machen: die ohnehin etwas skeptischen Anwohner haben insbesondere Sorgen hinsichtlich der Verkehrs-und Parksituation. Das ist natürlich verständlich, viele können sich noch an die Verkehrssituation erinnern als der AOA noch in Betrieb war. Und da wächst die Begeisterung nicht, wenn die Grünen jetzt eine Reduzierung der zu schaffenden Parkflächen vorschlagen verbunden mit der Erwartung, dass die Bewohner zukünftig weniger Autos besitzen, sondern mehr auf Rad usw. umsteigen. Niemand, der dort bereits lebt möchte gerne in einem grünen „Verkehrslabor“ landen, um dann womöglich später festzustellen, dass die gutgemeinten Vorstellungen mit dem Verhalten der Menschen in der Wirklichkeit nicht übereinstimmen.
Deutlich geworden ist aber auch, dass die Gautinger Grünen hier in keiner Weise einen Ansatz der Umerziehung der Menschen mit „Öko-Ideologie“ verfolgen. Ihr Ziel ist es, ein zeitgemäßes Wohnquartier in Orts- und S-Bahn-Nähe zu realisieren, dass es leichter macht, alternative Verkehrsmittel bequem zu nutzen. Da muss gar nicht jeder mitmachen, aber Bürgern, die dafür offen sind, sollen ermutigt werden. Wir kennen es alle aus den Schulferien – wenn nur 10-20% weniger Autos unterwegs sind, gibt es auf einmal deutlich weniger Stau und Probleme. Ein weiterer wichtiger Aspekt scheint zu sein, dass der normalerweise angewandte Stellplatzschlüssel von 1,0-2,0/Wohnung (abhängig von der Größe) hier ohnehin etwas überdimensioniert ist. Der Verband Wohnen hat signalisiert, dass bereits heute typischerweise im geförderten Wohnungsbau ein geringerer Bedarf in der Praxis besteht. Eindeutig positiv zu bewerten ist es, dass die Grünen hier offenbar keinen dogmatischen Ansatz verfolgen. Es gab das klare Signal, auch die Sorgen der Anwohner aufzunehmen und bei der ganzen weiteren Detailplanung realistisch vorgehen zu wollen, um möglichst für alle Beteiligten akzeptable Lösungen zu finden. Insgesamt sehr erfreulich, wie sachbezogen und ruhig die Diskussion geführt wird.
Erfreulich ist das klare Bekenntnis der Grünen, einen jahrelangen Stillstand am AOA-Gelände oder gar einen Rückfall auf die veraltete und viel nachteiligere Planung nach dem aktuell gültigen Bebauungsplan vermeiden zu wollen. Die Grünen sehen die große Chance an dieser zentrumsnahen Lage zukunftsweisenden Geschoßwohnungsbau („sozial-ökologische Mustersiedlung“) zu realisieren und Menschen mit geringem Einkommen bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Dadurch kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, dass in der Gautinger Bevölkerung eine gute gesellschaftliche Mischung weiter besteht. Auf dieser Basis sollte im Gautinger Gemeinderat doch eine sehr breite Mehrheit für das Projekt zu erreichen sein?
Am Dienstag steht das Thema auf der Tagesordnung des Bauausschusses. Es bleibt spannend!