Verblüfft konnte sich der Gautinger Bürger die Augen reiben als er letzte Woche die Berichte in SZ („Sparrunde vorbei“) oder Merkur („finanzielle Lage nicht so schlecht“) über die Gautinger Haushaltsberatungen lesen konnte. Auslöser war die erfreute Mitteilung des neuen Gautinger Kämmerers Stefan Hagl über eine Erhöhung der sog. „Schlüsselzuweisung“ für Gauting auf 2,3 Mio € statt ursprünglich angesetzter 1,1 Mio €. Dabei ist das eigentlich eine beunruhigende Botschaft – diese Zuschüsse aus dem Landeshaushalt erhalten nämlich nur die besonders finanzschwachen Gemeinden. Im wohlhabenden Landkreis Starnberg fällt in diese Kategorie („Hartz IV für Kommunen“, Bürgermeisterin Brigitte Kössinger) sonst nur noch Tutzing. Tatsächlich ist die finanzielle Perspektive für Gauting ernüchternd. Die Gemeinde ähnelt einem Hausbesitzer, der seinen Erben eine Vielzahl hinausgeschobener Probleme hinterlässt, die nun ihr letztes Sparbuch plündern müssen, um den Herausforderungen Herr zu werden. 500 Seiten umfasst der Haushaltsentwurf, wir haben versucht die Herausforderungen und wesentlichen Probleme verständlich herauszuarbeiten.
Laufende Einnahmen und Ausgaben ergeben keine Spielräume
Der Verwaltungshaushalt von Gauting, in dem die laufenden Einnahmen verbucht werden und alle Ausgaben für Personal und Sachmittel, den Betrieb von Kindergärten und Schulen oder die freiwilligen Aufgaben wie Sommerbad, Kultur- und Vereinsförderung finanziert werden müssen, umfasst für 2022 gut 49 Mio €. Für Investitionen bleiben jedes Jahr etwa 1 Mio € übrig, was nicht annähernd ausreichend ist. Wer sich genauer dafür interessiert, wofür Gauting sein Geld ausgibt, findet hier einen Überblick.
Die Erhaltung der Substanz – bei Gautings Investitionen tickt eine Zeitbombe
Das eigentliche Problem von Gauting steckt im Vermögenshaushalt, in dem alle Investitionen geplant und finanziert werden müssen. Da diese Maßnahmen sich ja oft über längere Zeit hinziehen ist die Mehrjahresplanung (aktuell bis 2025 erstellt) besonders wichtig. Und Gauting hat hier vor allem für lange herausgeschobene Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen einen enormen Investitionsstau. Das betrifft zB. die energetische Sanierung des bald 50 Jahre alten Rathauses (3,6 Mio €), knapp 30 Mio € für Sanierungsmaßnahmen an allen Schulen (größte Positionen Grundschule Stockdorf inklusive der Erweiterung, die Turnhallen Mittelschule und OvTG), 8,5 Mio € für Kindergärten (u.a Ersatz Postwiese, Neubau Wiesmahdstrasse). Ein großer Brocken wird die Erneuerungen der Einrichtungen für die Feuerwehren mit 9 Mio € allein bis 2025. Vergleichsweise klein mutet dagegen der Instandhaltungsbedarf für das über 50 Jahre alte Sommerbad mit knapp 1 Mio € an in der Hoffnung, dass böse Überraschungen ausbleiben. Und natürlich soll die Gestaltung des Bahnhofareals nach Fertigstellung des KARLs abgeschlossen und der Ausbau der Radweginfrastruktur weitergehen. In Summe steigt der Investitionsbedarf in Gauting von 15,5 Mio € (2022) jedes Jahr in großen Schritten bis auf über 28 Mio € (2025).
Wie sollen die Investitionen finanziert werden?
Zunächst einmal muß Gauting seine Rücklagen auflösen, in 2022 sind das 6,5 Mio €, nur so lässt sich eine Kreditaufnahme (letztmalig) vermeiden. Das kann man mit dem Eigenkapital vergleichen, das jeder Häuslebauer ansparen und bei Beginn von Hausbau oder Renovierung einsetzen muß. Über die Veräußerung von Grundstücken, etwa bei der Entwicklung von Gewerbegebieten auf gemeindeeigenem Grund (zB. Handwerkerhof oder Gautinger Feld) oder brachliegender Gemeindegrundstücke (zB. ehem. Wunderlhofareal oder am Krapfberg) lassen sich weitere Investitionsmittel mobilisieren. Und dann bleiben Kredite im Vermögenshaushalt eine Option, da die jährliche Rücklagenzuführung von 1 Mio € aus dem Verwaltungshaushalt nicht ansatzweise ausreicht. Hier plant der Kämmerer in der mittelfristigen Planung für die Zeit von 2023 – 2025 eine Kreditaufnahme von 40 Mio €!
Das Problem: der neue Kämmerer Stefan Hagl räumt selbst ein, dass die Rechtsaufsicht dem niemals zustimmen wird. Denn das beliebte Argument der aktuell niedrigen Zinsen zur Rechtfertigung von Schulden ist ja nicht zu Ende gedacht, die Tilgung muss die Gemeinde ebenfalls finanzieren können und hier schaut die Rechtsaufsicht kritisch hin, ob dies auch nachhaltig gewährleistet ist.
Was ist der Ausweg aus dem Dilemma?
1. Ehrlichkeit und Realismus
aller im Gemeinderat vertretenen Gruppierungen wären eine wichtige Grundlage. Natürlich kennen alle das Problem, aber wer in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass zB. Grundstücksveräußerungen gar nicht erforderlich seien, wirkt da doch sehr kurzsichtig. Grundstücksveräußerungen werden allerdings alleine nicht ausreichen, um die Substanz der Infrastruktur von Gauting zu erhalten. Sonst droht überall eine Situation wie bei der Turnhalle der Mittelschule, deren Dach undicht ist und wo oberflächliche Reparatur-Maßnahmen kurzfristig das Schlimmste verhindern sollen ohne das Problem grundlegend zu lösen.
2. Gauting muss wirklich alle Kraft in die Entwicklung der neuen Gewerbegebiete stecken.
Nur wenn Gauting strukturell deutlich höhere jährliche Gewerbesteuereinnahmen als die bisherigen 7 Mio € erzielt (zum Vergleich – Gilching mit 17.000 Einwohner nachhaltig deutlich über 10 Mio €, Gräfelfing mit 12.000 Einwohnern sogar regelmäßig über 100 Mio €), wird die Gemeinde sich aus dem Dilemma grundlegend befreien können. Bürgermeisterin Dr.Brigitte Kössinger verfolgt seit ihrer Wahl 2014 beharrlich diesen Weg. Trotz aller Fortschritte ist es durchaus frustrierend zu sehen, wie unendlich langsam diese Prozesse in Deutschland heute laufen.
3. Projekte strecken und Ansätze kritisch hinterfragen
Es muß das Ziel sein, für manche, naturgemäß noch pauschalen Planungsansätze bei der näheren Konkretisierung kostengünstigere Lösungen zu finden. Man kann auch etwas zynisch darauf vertrauen, dass bei der Langsamkeit aller Planungs- und Umsetzungsprozesse sich die Projekte ohnehin zeitlich strecken werden und im Zweifel für manche Themen Zwischenlösungen finden lassen. Auch wenn das nicht ohne Risiken ist wie aktuell das Beispiel der Mittelschule verdeutlicht.
4. Weiter nach kreativen Lösungen suchen
Der 1. Vorsitzende von ZukunftGAUTING, Dr. Andreas Albath, der seit November 2021 als unabhängiger Gemeinderat (für UBG) bei den diesjährigen Haushaltsberatungen erstmals im Hauptausschuss beteiligt war, hat eine offene Lösungssuche und transparente Information der Öffentlichkeit gefordert und dafür auch viel Zustimmung bei anderen Gemeinderäten erhalten. Spätestens bei den Haushaltberatungen für 2023 wird sich zeigen müssen, wie der Gautinger Gemeinderat dabei vorankommt.