Soll die heute für die Öffentlichkeit verschlossene Würm der Allgemeinheit besser zugänglich gemacht werden, wenn die Firma Stanz Schmid ihre geplante Standortverlagerung realisieren wird? Das ist am Ende die Kernfrage bei der Betrachtung der in einem Architektenwettbewerb erarbeiteten Vorschläge zur Neugestaltung des Areals vor dem Baierplatz in Stockdorf beidseitig der Würm.
Sehr gut besucht und von der Gemeinde umsichtig vorbereitet war die Infoveranstaltung am letzten Samstag in der Grundschule Stockdorf. Um die 200 Interessierte und ein Großteil der Mitglieder des Gemeinderates nutzten die Möglichkeit im Gespräch mit den Planern und einer Diskussionsrunde im Plenum, um sich zu informieren und das Projekt kritisch zu hinterfragen.
Die 1.Bürgermeisterin Dr. Brigitte Kössinger machte zunächst einmal deutlich, dass es in dem in Abstimmung mit den Grundstückseigentümern und von ihnen finanzierten Architektenwettbewerb darum ging, eine konkrete Machbarkeitsplanung herauszuarbeiten als Grundlage für die Meinungsbildung und Entscheidung des Bauausschusses über die Durchführung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens. Dem Gemeinderat war wichtig, die Möglichkeiten in dem Areal am Baierplatz nicht abstrakt zu diskutieren, sondern anhand konkreter Planungen. Auch um frühzeitig eine Information und Beteiligung der Bürger zu erreichen mit konkreten Vorschlägen, die das besser transparent machen. „Wir stehen am Beginn und keinesfalls am Ende des Verfahrens und die Stellungnahmen der Bürger heute sind eine Art vorgezogener Bürgerbeteiligung“.
Wir fassen die Kernfragen der gut zweistündigen Diskussion zusammen.
Warum wird überhaupt überlegt auf der heute unbebauten Westseite der Würm Bebauung zuzulassen?
Der Gemeinderat hat sich gefragt: Wie soll unsere wachsende Gemeinde entwickelt werden – durch weitere Ausdehnung an den Rändern oder durch Verdichtung in den bereits besiedelten Gebieten? Wenn möglich durch Verdichtung in den Innenbereichen ist die Antwort wie sie fast überall gegeben wird. Deshalb die Fragestellung, ob und wie eine ‚maßvolle´Bebauung an dieser Stelle möglich sein könnte. Der Siegerentwurf sieht eine Bebauung mit zwei 3-4geschossigen Häusern vor, die 900 qm des 21.000 qm großen Areals in Anspruch nehmen werden (=4 % der Fläche).
Aber macht man damit nicht nur den Eigentümer „reich“ – was hat die Gemeinde davon?
Andreas Hitzler, Vertreter der Eigentümer, stellte die in den sozialen Medien immer wieder kolportierte Meinung von „15 Mio. €“ klar. Das treffe in keiner Weise die Realität. Im Übrigen gelten hier die Regelungen der „Sozialen Bodennutzung“ (SoBon), die dem Anliegen der Gemeinde Rechnung trage, auf dem Ostteil preisgebundene Wohnungen und einen dreizügigen Kindergarten zu realisieren. Auch die umfassenden Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung der Würm würden zum Ausgleich von den Eigentümern finanziert.
Tritt man nicht die Belange des Naturschutzes mit Füßen, wenn dafür ein unberührtes Biotop geopfert wird?
Hier wurde Judith Praxenthaler vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München und selbst Landschaftsarchitektin, die den Wettbewerb organisiert hat, sehr deutlich. Der Biotop-Bereich an der Würm wird durch die Planung überhaupt nicht tangiert, der Siegerentwurf gehe besonders sensibel mit dem vorhandenen und erhaltenswerten Gehölzbestand um und die Maßnahmen zur Renaturierung der Würm seien gerade auch aus Sicht der beteiligten Fachleute aus der Wasserwirtschaft ein Glücksfall, weil mit der Entfernung der heutigen Spundwände, der Wiederöffnung des Altarms der Würm und der Anlegung einer Fischtreppe am Wasserwerk sehr viel für die Verbesserung des Artenschutzes geleistet werde.
Wieso werden aber dann nur große Luxuswohnungen und nicht kleine Wohnungen gebaut?
Die preisgebundenen kleineren Wohnungen sollen auf der Ostseite entstehen, um die Belastung der Westseite durch die Besiedelung möglichst niedrig zu halten. Die Wohnungen im Westen werden keinen Stellplatz am Haus erhalten, sondern Parkplätze in der Tiefgarage und der Verkehr soll auf das Minimum reduziert sein (Feuerwehrzufahrt vorhanden, aber Anlieferung von Amazon-Paketen etc. nur an zentraler Ablagestelle). „Penthouse-Luxuswohnungen sind hier überhaupt nicht vorgesehen“ stellte Andreas Hitzer klar. Aber es gäbe viele Menschen, die zwar gut verdienen, sich aber gleichwohl ein Haus für 1,5 Mio. € aufwärts nicht leisten können. Diese Familien seien Zielgruppe mit einer „neuen Art des Einfamilienhauses. Und es gibt genug Interessierte, die auf Fahrrad und ÖPNV setzen und nicht unbedingt ständig zwei Autos benötigen“.
Muss man den Westteil nicht trotzdem öffnen, er sei doch „Wald“?
Klare Aussage der Eigentümer – wenn eine Bebauung im Westen abgelehnt wird und der heutige Zaun entfernt wird, bedeutet dies nicht, dass die ökologischen Aufwertungsmaßnahmen stattfinden oder das Areal geregelt zugänglich gemacht wird. „Dann kann da halt jeder rein, ob es feiernde Jugendliche sind oder Hunde zum Auslauf geschickt werden“. Die Finanzierung der im Wettbewerb gewürdigten Vorschläge zur Aufwertung der Würm und Schutz des Areals werde der Eigentümer dann natürlich nicht tragen. Bürgermeisterin Brigitte Kössinger bedauerte auf einer entsprechenden Frage, dass die Gemeinde den Erwerb und die Gestaltung der Flächen aufgrund der geringen Gewerbesteuereinnahmen der zahlreichen Pflichtaufgaben finanziell nicht stemmen könne.
Warum soll im Ostteil große Gebäude entstehen für Gewerbe, braucht man das überhaupt noch?
Die Bürgermeisterin auch hierzu sehr klar, dass der Gemeinderat angesichts der ohnehin schon zu niedrigen Gewerbesteuereinnahmen die vorhandenen Gewerbeflächen nicht auch noch reduzieren wolle. Das Areal um Stanz-Schmid sei schon seit Jahrzehnten überwiegend gewerblich genutzt und hier gebe es großen Bedarf gerade in aussichtsreichen Zukunftsbranchen. Die Planer ergänzten, dass die Konzeption der zu errichtenden Gebäude nachhaltig angelegt werde, also insbesondere eine Nutzungsänderung aufgrund von Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten möglich sein werde.
Fazit
Sachlich, kritisch-skeptisch, argumentativ, respektvoll – ein Musterbeispiel für demokratische Bürgerbeteiligung. Auch dank der umsichtigen und fairen Moderation durch Dr. Jürgen Busse, früherer unabhängiger Stadtrat in Starnberg. Viele Bürger gingen nachdenklich nach Hause angesichts der abzuwägenden Argumente und Sichtweisen.
In den Leitbildprozessen für Stockdorf und Gauting insgesamt war der Wunsch nach einer besseren Zugänglichkeit der Würm gerade in den besiedelten Teilen des Gemeindegebietes ein einmütiges und großes Anliegen der Bürgerschaft. Von der – natürlich nicht repräsentativen – Stimmung der anwesenden Bürger scheint dies heute möglicherweise untergeordnete Bedeutung zu haben.
Deutlich geworden ist – auch dank guter Hinweise aus der Bürgerschaft – dass im Detail an dem Entwurf noch viel zu arbeiten sein wird.
Die Gemeinderäte haben viele wertvolle Impulse für ihre Beratungen mitnehmen können. Und insgesamt ist zu wünschen, dass die Diskussion weiter so sachlich bleibt und die Versuche der letzten Tage „Stimmung zu machen“ bei den meisten kein Gehör finden.