Heiß wird um die Windkraft in Gauting gestritten, dies war ein beherrschendes Thema in Gauting in den letzten Wochen. Bei unserer Diskussionsveranstaltung „PRO und CONTRA Bürgerwind für Gauting“ im Juni wurden alle Argumente auf den Tisch gelegt und auch die Gegner der Windkraft bestreiten nicht, dass wir für die Energiewende dringend etwas tun müssen.
Aber wie steht es denn eigentlich um die Geothermie, die schon länger in der Planung ist und über die im Gautinger Gemeinderat zuletzt vor einem Jahr ausführlicher informiert wurde? Grund genug für einen Anruf bei Dr. Bernd Schulte-Middelich, dem zupackenden und zuversichtlichen Unternehmer aus der Region, der dieses Projekt so energisch vorantreibt.
Hauptbetriebsplan vor der Genehmigung?
Die gute Nachricht vorweg. Der sog. “Hauptbetriebsplan“, wesentliches Herzstück für das Genehmigungsverfahren wurde bereits Anfang des Jahres beim Bergamt eingereicht. Das ist die Behörde, bei der alle Fäden für die Genehmigung zusammenlaufen. Und Schulte-Middelich lässt keinen Zweifel daran, dass die Geothermie kommen wird und sich auf gutem Weg befindet. Aber – es wird nicht ganz so schnell gehen, wie ursprünglich geplant. „Zum Beginn der Heizperiode im Herbst 2025“ sollte die „Lieferfähigkeit ab Bohrloch“ erreicht werden. Das wird nicht zu schaffen sein. Die Betreibergesellschaft ist zwar zuversichtlich spätestens im Frühjahr 2026 so weit zu sein („für viele Unternehmenskunden ist Kälteversorgung durchaus relevant“). Die Einschätzung von ZukunftGAUTING lautet – wenn es zum Herbst 2026 so weit sein sollte, ist schon viel erreicht!
Auf die Haselmaus kommt es jetzt an!
Aber woran hakt es denn nun? Man merkt Schulte-Middelich im Gespräch an, dass er kein kritisches Wort über eine der beteiligten Behörden und natürlich insbesondere der handelnden Beamten sagen will. Und der grundsätzliche Wille aller beteiligten Behörden, die Geothermie zu ermöglichen, scheint auch ungebrochen zu sein.
Für das Geothermie-Projekt ist es nun entscheidend, dass in den nächsten Tagen der Hauptbetriebsplan genehmigt wird und mit der Rodung der Flächen für die Bohrung im September begonnen werden kann, sonst rutscht der Zeitplan gleich nochmals um mehrere Monate.
Die größte Herausforderung ist hierbei das Vorkommen der Haselmaus auf dem für die Bohrung gesicherten Areal. Eigentlich ist das eine Fläche, auf der man sie nicht erwarten würde. Sie fühlt sich aber offenbar dort sehr wohl. Das ist erfreulich, da sie als „gefährdete Tierart“ gilt. Niemand weiß genau, wie viele es in Deutschland gibt, Schätzungen belaufen sich auf eher knapp 1 Mio. als 10 Mio. Tiere. Eine Umsiedlungsfläche in der Nähe wurde immerhin gefunden. Der Gesetzgeber geht wohl auch davon aus, dass die Haselmaus so schlau ist, den Weg dorthin eigenständig zu finden, ein Umtransport der womöglich großen Mäuseschar wird nicht verlangt. Aber es muss halt September sein, denn die Haselmaus pflegt sich ab Oktober in den Wurzelstöcken zum Winterschlaf niederzulassen und dann dürften die nicht mehr im Rahmen der Rodung entfernt werden.
Drücken wir halt mal die Daumen, dass das alles so klappt und gut ausgeht. Dann sollen im Jahr 2025 die Probebohrungen erfolgen. Schulte-Middelich ist fest von der Fündigkeit und ausreichenden Wassertemperatur überzeugt (in den 80er Jahren wurde vergeblich dort nach Öl gebohrt, aber zumindest weiß man seitdem, dass genug heißes Wasser vorhanden ist) und dann werde weiter mit großer Energie gearbeitet, die erforderlichen Leitungen zum noch final festzulegenden Übergabepunkt in der Nähe des Handwerkerhofs zu realisieren. Das ist nur eine Zusammenfassung, viele Teilschritte gehören dazu, u.a. müssen Wasseranalysen erfolgen. Erstaunlich, da ja bekanntlich das Tiefenwasser in einem geschlossenen Kreislauf verbleibt und das Heizwasser über einen Wärmetauscher die Energie erhält und gar nicht mit dem Tiefenwasser in Berührung kommt.
Netzausbau gesichert – aber Zeitplan völlig unklar
Froh ist Schulte-Middelich, dass nun auch für Weßling, neben Gauting und Gilching der dritte Ort, der von der Anlage aus versorgt werden soll, eine Lösung für die Erschließung der Abnehmer gefunden wurde. Die Energie Südbayern (ESB) wird dies übernehmen, also eine ähnliche Lösung wie sie Gauting in Partnerschaft mit der KWA, einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke Heilbronn gefunden hat.
Was zu der Frage führt, wann hier der Netzausbau beginnt. Sie ahnen es – natürlich erst, wenn die Silenos den Erfolg seiner Probebohrungen vermelden kann und die Zuversicht von Schulte-Middelich durch harte, aktuelle Fakten und Zeitplan unterlegt wird. Handwerkerhof, Asklepios und Patchway Anger werden in Gauting die ersten Abnehmer sein. Der private Hauseigentümer, der alsbald Ersatz für seine in die Jahre gekommene Gas- oder Ölheizung sucht, ist gut beraten, dies nicht zu bald zu erwarten. Denn bis die Leitungen dann in die Gautinger Straßen kommen ist ja nicht nur eine Frage der Finanzierung, sondern auch der Ressourcen für die Handwerker usw.
Viele weitere Fragen zur Geothermie sind aus unserem letzten update noch aktuell. Wer das nachlesen will, wird hier fündig.
Energiewende im Trippelschritt, aber die „Deutschland Geschwindigkeit“ fällt aus
Gerade hat Landrat Stefan Frey vermeldet, dass der Landkreis 2023 inzwischen bei einem Anteil von 21,8 % erneuerbarer Energieträger liegt (Deutschland: 51,8 %). Aber von der berühmten „Deutschland-Geschwindigkeit“ von der Bundeskanzler Scholz immer spricht, ist selbst bei diesem großen Rückstand und einem Projekt wie der Geothermie wenig zu spüren, dass unmittelbar der Energiewende dient.
Doch man kann den Behörden auch kaum einen Vorwurf machen. Solange es gesetzliche Vorgaben gibt, dass dieser oder jener Aspekt geprüft oder erfüllt sein muss, kann man ja auch nicht erwarten, dass der dafür zuständige Beamte darauf nicht achtet.
Es wird eben immer wieder deutlich, dass die Verantwortlichen in Bundes- und Landesregierung ernsthaft Genehmigungsprozesse verschlanken und eindeutige Prioritäten setzen müssen. Die Sonntagsreden über „Bürokratie-Abbau“ nerven nur noch. Die Bundes- und Landespolitik muß klare Prioritäten setzen, gesetzliche Verfahrens- und Prüfvorschriften drastisch entschlacken, um in Deutschland erneuerbaren Energien, aber natürlich auch der Sanierung von Bahnlinien, Brücken und Straßen oder der Realisierung von Gewerbegebieten oder Wohnprojekten zum raschen Durchbruch zu verhelfen.
Bitte nicht falsch verstehen: wir haben ganz viel Sympathie für die Haselmaus und ihre Belange. Aber wenn der Klimawandel es erfordert unsere industriell geprägte Volkswirtschaft und die Lebensgrundlage für über 80 Mio. Menschen zügig in eine durch erneuerbare Energien geprägte Versorgung umzubauen, dann müssen Prioritäten gesetzt werden und auch Konflikte zu widerstreitenden Interessen in Kauf genommen werden. Bundes- und Landespolitik sind dazu in der Praxis zu oft nicht bereit. Es ist nur skandalös, dass solche Projekte heute in der Praxis oft 10 Jahre oder mehr dauern, was kommunale Praktiker inzwischen für normal halten.